Streckbetrieb (von Kernkraftwerken)

Regulär werden Kernkraftwerke möglichst bei konstanter und hoher Leistung betrieben. Dabei soll i.A. die Nennleistung, also die Auslegungsleistung der Anlage, erreicht werden.
Der Streckbetrieb ist ein Überbrückungsmodus bei geringer werdender Reaktor- und Kraftwerksleistung.

Aufrechterhaltung des Normalbetriebs durch Brennelementaustausch

Kann diese Nennleistung durch den Abbrand der Brennelement nicht mehr erzielt werden, wird ein Teil der Brennelemente durch frische Brennelemente ersetzt, die noch nutzbaren Brennelemente so umsortiert, dass die Wärmefreisetzung im Reaktorkern (Core) optimal ist. Abbrand bedeutet hier, dass der Uran-235-Gehalt der Brennelemente im Laufe des Betriebs eines Brennelementes sinkt – schließlich wird die Energie durch die Spaltung der Uran-235-Kerne freigesetzt, dabei aber auch der betroffene Uran-235-Kern vernichtet.
Typische Uran-235-Anreicherungsgrade in verbreiteten Druckwasserreaktoren liegen anfangs bei 3-4%, am Ende bei ca. 1-1,5%.

Gründe für den Streckbetrieb und Trade-Offs

Der Streckbetrieb ermöglicht die weitere Nutzung der Brennelemente über die Standardbetriebsdauer hinaus, allerdings nimmt man in Kauf, dass die Reaktorleistung und damit die Leistung des Kernkraftwerks abnimmt.
Die übliche Situation ist die, dass z.B. frische Brennelemente erst etwas verzögert geliefert werden können. Der Streckbetrieb ist hierzu bereits mehrfach eingesetzt worden und es handelt sich um einen zulässigen, im Design der Reaktoren geplanten Betriebsmodus.

Die Leistung im Streckbetrieb sinkt typischerweise um 0.5% pro Tag ab und liegt nach 3 Monaten bei ca. 60% der Normalleistung – bei einem 1 400Megawatt-Kernkraftwerk sind dies ca. 800 Megawatt beim Ausreizen des Streckbetriebs.

Ein Neustart der Kernreaktoren ist nach fortgeschrittenem Streckbetrieb nicht mehr möglich (in Deutschland), weil hierzu nötige Betriebsparameter nicht eingestellt werden dürfen – grundsätzlich könnten jedoch Betriebsparameter so kombiniert werden, dass dies möglich ist.

Vom Normalbetrieb zum Streckbetrieb

Im Normalbetrieb wird die Kritikalität des Reaktors durch die Stellung der Regelstäbe (auch Absorberstäbe) und der Konzentration von Bor im Primärkreislauf (dem Bereich mit den Brennelementen) auf 1 stabilisiert – neben verschiedenen inhärenten Selbstregulierungsmechanismen des Systems. Eine Kritikalität von 1 bedeutet stabile Leistung, dazu muss eine Kernspaltungsreaktion im Mittel genau eine neue Kernspaltungsreaktion veranlassen.

Kann die Kritikalität nach dem Ende des Normalbetriebs nicht mehr auf 1 stabilisiert werden, wird die Wasser-Temperatur des Primärkreislaufs abgesenkt. Damit erhöht sich die Dichte des Wassers und die Spaltneutronen werden effektiver abgebremst. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit pro Neutron, eine weitere Spaltreaktion auszulösen.
Dadurch sinkt allerdings der Turbinenwirkungsgrad, womit die elektrische Leistung des Reaktors, wie oben beschrieben, absinkt. Zudem finden aufgrund des hohen Abbrands auch die Spaltreaktionen mit geringerer Rate statt.

HISTORY:

INIT: 2022-10-26