Ein Kernreaktor ist ein System, in dem nukleare Reaktionen stattfinden, die letztendlich Wärme erzeugen, die dann direkt oder nach einer Umwandlung als elektrischer Strom genutzt wird. Der Kernreaktor ist damit der wärmeerzeugende Bestandteil eines Kernkraftwerks.
Funktionsprinzip
Die Wärme wird durch kontrollierte Kernspaltung erzeugt. Die Kernspaltung ist ein Prozeß, bei dem ein spaltfähiger Atomkern ein Neutron – mit n bezeichnet – einfängt, die Kernbausteine, Protonen und Neutronen, sich dann so anordnen,
daß zwei Tochterkerne entstehen, der ursprüngliche Kern also gespalten wird:
Die meist 2-3 freigesetzten Neutronen, die von den beiden Tochterkernen nicht aufgenommen werden konnten, werden dabei freigesetzt und können neue Kernpaltungen bewirken. Dabei ist aber noch zu bedenken, daß die Spaltneutronen unmittelbar nach der
Reaktion eine recht hohe Energie von etwa 1MeV (1000000eV) besitzen. Sie sind
dementsprechend relativ schnell. Ein Neutron kann allerdings eine Kernspaltung nur dann mit sehr hoher Effizienz – physikalisch mit einem hohen Wirkungsquerschnitt – bewirken, wenn es langsam ist. Dieses Geschwindigkeit entspricht einer Energie von etwa 0.03eV,
entsprechend der Energie, die ein Neutron alleine aufgrund der Umgebungstemperatur besitzt. Daher werden Neutronen dieser Energie als thermische Neutronen bezeichnet. Geleistet wird diese Abbremsung der Neutronen durch den sogenannten
Moderator, im Druckwasserreaktor das gleichzeitig zur Kühlung eingesetzte Wassser.
Nun erscheint es möglich, daß durch jede Kernspaltung 2-3 weitere Kernspaltungen bewirkt werden können. Ein solcher lawinenartiger Effekt wird in Kernwaffen durch deren Aufbau erreicht, die sich durch eine unkontrollierte Kettenreaktion, die Explosion mit der Freisetzung
gigantischer Energiemengen auszeichnen.
Regelbetrieb von Kernreaktoren
In Kernreaktoren wird der Aufbau des Reaktorkerns so gewählt, daß beim Hochfahren des Reaktors aus dem kaltem Zustand im Mittel etwas mehr als ein Neutron eine weitere Kernspaltung erzeugt, also die Spaltungsrate und die dabei freigesetzte Wärmeleistung steigt. Wenn die Wärmeleistung den gewünschten Wert erreicht hat, möchte man pro
Kernspaltung im Mittel wieder genau eine weitere erreichen.
Dieser Wert im Sinne eines über eine Zeitspanne gemittelten Wertes unterliegt natürlich Schwankungen: Einmal kann in einem Teilbereich des Reaktorkerns die Kritikalität größer als Eins sein, durch bestimmte Zerfallsprodukte der Kernspaltung, also die Tochterkerne, werden mit zunehmender Betriebsdauer immer Neutronen von diesen eingefangen, was dazu führt, daß die Kritikalität mit der Verweildauer der Brennelemente im Reaktor langsam abnimmt. Neutronenabsorbierende Zerfallsprodukte werden Reaktorgifte genannt, weil sie den Neutronenhaushalt im Reaktor nachteilig beeinflussen.
Eine Beeinflussung von außen ermöglichen die Absorberstäbe, die in den Reaktorkern an verschiedenen Positionen verschieden tief zwischen die Brennelemente hineingefahren werden können. Beispielsweise mit Cadmium ausgestattet, erlauben diese Absorberstäbe das ,,Einfangen„ von Neutronen, die dadurch nicht mehr für die Kernspaltung zur Verfügung stehen. Je tiefer die Absorberstäbe also zwischen die Brennelemente gefahren werden, desto geringer wird die Kritikalität des Reaktors, und damit nimmt die Leistung ab. Wenn die Absorberstäbe weiter herausgefahren werden, nimmt die Kritikalität des Reaktors zu, die Wärmeleistung steigt – damit kann die Zunahme der Konzentration an Reaktorgiften im Reaktorkern während des Betriebs ausgegleichen werden.
Regelungsmechanismen, die Fluktuationen in der Kritikalität ohne technisches Eingreifen stabilisieren und damit die Kernspaltungsrate im Reaktorkern ausgleichen, werden auch
Selbstregelungsmechnismen genannt. Diese bieten eine systemeigene oder inhärente Sicherheit während des Betriebs eines Reaktors. Bei Kernreaktoren gilt generell, daß mit erhöhter Kernspaltungsrate mehr Wärme freigesetzt wird und sich das Reaktormaterial ausdehnt. Damit entwischt ein höherer Anteil der Spaltungsneutronen, die Kernspaltungsrate nimmt ab und der Reaktorkern kühlt wieder etwas ab. Wenn sich der Reaktorkern stärker abkühlt, wird seine Dichte wieder größer, die Neutronen werden zu höherem Anteil für Kernspaltungen genutzt, der Reaktorkern erwärmt sich wieder, usw. Bei wassermoderierten Kernreaktoren bilden sich in dem als Moderator dienenden Wasser bei überhöhten Temperaturen Dampfblasen, die Dichte des Moderators wird an diesen Stellen drastisch reduziert, die Neutronen werden nicht mehr so effektiv abgebremst und verlassen den Reaktor, ohne weitere Kernspaltungen zu bewirken; der entsprechende Bereich des Reaktors kühlt wieder ab.
Betriebssicherheit von Kernreaktoren
Die Sicherheit von Kernkraftwerken wird durch die genannten Selbstregelungsmechanismen positiv beeinflußt, dennoch können Unfälle mit großen Folgeschäden am Reaktor und – wesentlich bedeutungsvoller – für die Umwelt durch die Freisetzung radioaktiver und giftiger Stoffe eintreten. Dies gilt insbesondere für die russischen RBMK-1000-Reaktoren, ein Exemplar dieses Typs ist
bei der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl in einen unkontrollierbaren Zustand gebracht worden.
Sicherheitstechnisch auf höherem Niveau sind DWR- und SWR-Typen, als sicherste derzeit bekannte Reaktoren können Hochtemperaturreaktoren angesehen werden, die in kleinen Leistungseinheiten als physikalisch und vor allem technisch inhärent sicher einzustufen sind.
Charakteristische Unfälle bzw. Unfallszenarien für die genannten Reaktortypen sind bei der Beschreibung derselben genannt:
- RBMK-1000, ein graphitmoderierter, wassergekühlter Reaktor (Tschernobyl),
- Druckwasserreaktor (Three Mile Island)
- HTR-100, ein graphitmoderierter gasgekühlter Reaktor