Kapazitätsfaktoren als Indikatoren für Kraftwerke

Was ist eigentlich der Kapazitätsfaktor?

Der Kapazitätsfaktor gibt an, zu welchem Anteil ein System produktiv ist. Wenn Sie eine Produktionsmaschine haben, etwa eine Maschine zur Flaschenherstellung, gibt der Kapazitätsfaktor an wie viele Flaschen real z.B. in einem Jahr hergestellt wurden, geteilt durch die Anzahl der theoretisch möglich herzustellenden Flaschen, wenn die Maschine das ganze Jahr – 8760 Stunden – durchläuft.

Das gleiche gibt es auch für Energie-„Erzeuger“, z.B. Kraftwerke. Es ist offensichtlich, dass Photovoltaikanlagen auf der Erde nur maximal die Hälfte laufen können – die andere Hälfte ist Nacht, und da ist es dunkel. Und selbst am Tag hat man so seine Widrigkeiten: Schlechter Einfallswinkel und immer wieder das lästige Wetter mit Wolken, Nebel und Schnee.

Haben Kernkraftwerke einen viel höheren Kapazitätsfaktor? Ja, aber der ist auch nicht „eins“ oder 100%. Denn dieses Systeme benötigen Wartungsphasen für den Brennelemente-Wechsel und auch für Sicherheitsüberprüfungen sowie allfällig auftretenden Reparatur- und Wartungsarbeiten.

Die folgenden Bilder, zeigen die Kapazitätsfaktoren ausgewählter Kraftwerke in Deutschland für die letzte Dekade und das zusätzlich nach Monaten aufgelöst. In der ersten Serie finden Sie die Bilder für Biomasse, Photovoltaik und die beiden Windkraft-Typen Off-Shore, also vor der Küste und On-Shore, also auf dem Land.

Nun zu den Diagrammen

Unter den Bildern befinden sich kurze Beschreibungen. Diese bitte ich als Zusatzinformation zu betrachten, ggf. mit meinen Hypothesen der Charakteristik der Entwicklung versehen. Wie üblich ist es mir wichtig, Daten & Informationen aufzubereiten und darzustellen, die ein Nachdenken über die Zusammenhänge befördern und damit – hoffentlich – zu besserem Verständnis und besseren Entscheidungen führen.

Die Bilder haben zur Orientierung einen Titel, der alle Informationen erhält. Dabei sind die ersten vier Bilder alle mit der gleichen Farbskala versehen, also von 0 … 100%, so dass die Kapazitätsfaktoren zwischen den einzelnen Kraftwerksarten vergleichbar sind:

Biomasse/100%: Hier kann man gut erkennen, dass die Biomasse-Kraftwerke relativ gut und gleichmäßig ausgelastet sind, dass sie aber im Laufe der Jahre abgenommen hat, der Kapazitätsfaktor ist also gesunken.
Eine Hypothese ist die, dass man die Leistungskapazität ausgebaut hat, um Regelkapazitäten aufzustocken, also mehr Gigawatt bei Bedarf liefern zu können – die Energiekapazität, also wie viele Gigawattstunden im Jahr geliefert werden können, ist durch die Zufuhr an landwirtschaftlich produzierter Biomasse beschränkt.
PV/100%: Hier zeigt sich ganz klar die jahreszeitliche Variation der PV-Gewinne, während die installierte Leistung, also das Potential einer Anlage, gleich bleibt. Weiterhin ist erkennbar, dass PV prinzipbedingt in Deutschland bzw. überhaupt auf der Erdoberfläche keine sehr hohen Kapazitätsfaktoren erbringen kann.
Wind Offshore/100%: Hier wird erkennbar, dass Offshore-Wind tatsächlich hohe Kapazitätsfaktoren ermöglicht, wenn auch der Sommer unterrepräsentiert ist. Dafür hat die PV dort hohe Erträge, was aber besser in den relativen Plots erkennbar ist (s.u.)
Wind Onshore/100%: Die Kapazitätsfaktoren an Land sind bei der Windenergie deutlich geringer, was mit der hohen Oberflächenrauhigkeit der Landoberfläche zusammenhängt: Diese reduziert die Windgeschwindigkeiten in den typischen Höhen der Rotoren von 100-300 Meter.

Die zweite Serie zeigt eine Farbskala, die auf den maximalen Kapazitätsfaktor eines Monats im Beobachtungszeitraum 2015 … 2024 normiert ist. Das heißt, die Farbe Blau gibt die höchste Monatsauslastung an, die Farbe Magenta die niedrigste. Grün ist dann ein mittlerer Bereich um die 50%, der immerhin schon einmal „ganz gut“ ist.

Biomasse/individuelle Skala: Hier wird die Entwicklung über die Jahre viel deutlicher erkennbar: Die Leistungskapazität (also die Maximalleistung aller Biogasanlagen) ist nennenswert gesteigert worden , während die Energiekapazität (also die Menge der pro Jahr herstellbaren Biomasse) durch die limitierte Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen/Produktivität etwa gleich geblieben ist.
PV/individuelle Skala: In der individuellen Skala werden die monatlichen Schwankungen des Kapazitätsfaktors, aber auch die jährlichen Entwicklungen sehr viel stärker ausgeprägt sichtbar: Winter – Sommer sowie Witterungsbedingungen zwischen den Jahren. Auffallend ist die Abnahme der Kapazitätsfaktoren besonders im Sommer. Hypothese: Aufgrund der geringen PV-Modulpreise wird es immer attraktiver, auch schlechter ausgerichtete Dächer mit geringeren Jahresenergiemengen pro installierter Leistung zu bestücken. Die Kapazitätsfaktoren sinken, dafür kann aber bei Ost-West-ausgerichteten Modulen sowie vertikal platzierten Modulen eine bessere Angleichung zwischen PV-Stromerzeugung und Leistungsbedarf erreicht werden.
Wind Offshore/individuelle Skala: Gerade im Vergleich mit der Windgewinnung auf dem Land (On-Shore) fällt auf, dass die Kapazitätsfaktoren wesentlich weniger stark variieren, was den Aufwand an Stromleitungskapazitäten/Speichern/Backup-Kraftwerken – je nachdem, wie man das Problem der Variabilität der Windenergie auffängt – deutlich reduziert! Dies gilt besonders für die jahreszeitlichen Variationen, so dass auch im Sommer die dunklen PV-Strom-armen Nächte etwas besser versorgt werden können.
Wind Onshore/individuelle Skala: Dieses Bild zeigt deutlich die ausgeprägten Variationen der Windenergie Onshore, bei der auch aufgrund der hohen installierten Leistung von inzwischen ca. 70 Gigawatt (2024) hohe Variationen im Stromnetz auftauchen, wenn man diese auf die typischen 40 … 55 … 80 Gigawatt Leistungsbedarf bezieht. Die außenstehenden Werte bezeichnen typ. Minimal- und Maximalwerte, die fett kursiv gedruckte 55 weist auf den Jahresmittelwerte (2023) hin.